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Fachkräftemangel in der Baubranche: Engpass mit strukturellen Ursachen

Fachkräftemangel – das ist ein Zustand am Arbeitsmarkt, bei dem in bestimmten Berufsfeldern dauerhaft nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um die Nachfrage von Unternehmen zu decken.


In der Baubranche betrifft der Fachkräftemangel nicht nur einzelne Gewerke, sondern zieht sich durch Planung, Ausführung, Projektsteuerung und Bauleitung. Der Mangel beginnt bei gewerblich-technischen Berufen (z. B. Maurer, Anlagenmechaniker, Elektriker) und reicht bis zu akademischen Positionen wie Bauleiter, Kalkulator oder BIM-Koordinator.


Anders als kurzfristige Engpässe durch Konjunktur oder Saisonalität ist der Fachkräftemangel strukturell bedingt – also langfristig und tief im Bildungssystem, in Demografie und Imagefragen verankert.

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Was ist der Unterschied zu Arbeitskräfte-Engpass?

Begriff

Bedeutung

Fachkräftemangel

Mangel an qualifiziert ausgebildeten Kräften

Arbeitskräftemangel

Mangel an verfügbaren Personen – unabhängig von Ausbildung

Fachkräfteengpass

Regionale oder zeitlich begrenzte Knappheit

In der Baubranche treffen alle drei Situationen gleichzeitig zu – regional, gewerkspezifisch und ausbildungsspezifisch.




Besonders betroffene Berufsgruppen

Laut Bundesagentur für Arbeit (Fachkräfteengpassanalyse 2023) herrscht akuter Mangel in:


  • Bauleiter:innen Hoch- und Tiefbau

  • Polier:innen / Vorarbeiter:innen

  • Kalkulator:innen

  • Facharbeiter:innen für Gleisbau, Tiefbau, Spezialtiefbau

  • Gerüstbauer:innen, Kranführer:innen, Maschinist:innen

  • TGA-Fachplaner:innen / Elektro / HLS

  • BIM-Koordinator:innen / digitale Bauleitung


Diese Engpässe bestehen bundesweit – unabhängig von Stadt-Land-Gefälle.


Ursachen: Warum fehlt es an Fachpersonal?

Die Ursachen sind vielschichtig:

  1. Demografischer Wandel: Viele Fachkräfte gehen in Rente, aber es kommen zu wenige nach

  2. Rückgang dualer Ausbildungsverträge: Baugewerbe hat seit 2010 ca. 30 % weniger Azubis

  3. Wettbewerb mit Industrie und Logistik: Gewerbliche Fachkräfte wechseln in andere Branchen

  4. Mangel an Weiterbildung & Quereinstiegspfaden: Viele Betriebe fördern keine systematische Aufstiegsfortbildung

  5. Schlechtes Image der Branche: körperliche Arbeit, Wetterabhängigkeit, wenige digitale Rollen

Seit wann gibt es Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft – und wie ist er entstanden?


Erste Hinweise: Ausbildungs- und Bewerberrückgang seit den 1990er-Jahren

Schon in den späten 1990er-Jahren verzeichnete das Bauhauptgewerbe einen stetigen Rückgang an Bewerber:innen für gewerbliche Ausbildungsberufe. Gründe:

  • Abwanderung in „moderne“ Branchen wie IT, Logistik oder Dienstleistungen

  • sinkende Schulabgängerzahlen durch demografischen Wandel

  • kein Ausbildungsmarketing durch kleine Betriebe

  • schlechte Vereinbarkeit von Baustellenarbeit mit Familie und Freizeit

Besonders betroffen: klassische Bauberufe wie Maurer, Betonbauer, Straßenbauer, Zimmerer und Anlagenmechaniker SHK.



Trendwende nach der Finanzkrise: Neue Baukonjunktur – aber kein Personal

Ab 2010 stieg die Bautätigkeit in Deutschland stark an (Wohnbau, Gewerbe, Infrastruktur) – aber die Ausbildungszahlen stiegen nicht im gleichen Maße mit.

Zwischen 2009 und 2022 nahm z. B. die Zahl der genehmigten Wohnungen um über 80 % zu – doch die Zahl der neuen Ausbildungsverträge im Bauhauptgewerbe stagnierte laut ZDB bei rund 13.000–14.000 jährlich.



Akademische Berufe ebenfalls betroffen

Auch im akademischen Bereich wuchs der Bedarf – vor allem für:

  • Bauingenieur:innen

  • Projektleiter:innen

  • technische Einkäufer:innen

  • Kalkulator:innen

  • Spezialist:innen für Nachhaltigkeit, BIM oder TGA-Integration

Trotzdem sank die Zahl der Studienanfänger im Bauingenieurwesen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt (2022) von 17.500 (2016) auf 12.900 (2022) – ein Rückgang von ca. 26 %.



Europäische Vergleichsdaten

Laut Eurostat (2023) melden folgende Länder die größten Engpässe im Bauhauptgewerbe:

Land

Anteil der Unternehmen mit Personalengpässen

Deutschland

41 %

Österreich

38 %

Niederlande

35 %

Frankreich

33 %

Zum Vergleich: Im verarbeitenden Gewerbe liegt dieser Anteil in Deutschland bei rund 21 % – also halb so hoch wie im Bau.



Politische Reaktionen – bisher begrenzt wirksam

Es gibt diverse Initiativen, z. B.:

  • Imagekampagnen der Bauwirtschaft („Bau – Dein Ding“)

  • Förderung über Berufsorientierung und Praktika

  • Einführung der „Teilqualifizierung Bau“ für Quereinsteiger

  • Förderprogramme zur Digitalisierung und Attraktivität kleiner Betriebe

Trotzdem ist der strukturelle Rückstand bisher nicht aufgeholt.


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Wie der Fachkräftemangel Bauprojekte, Termine und Kosten beeinflusst


Projektverzögerungen durch Personalmangel

Der Fachkräftemangel hat messbare Folgen auf Bauzeit und Projektumsetzung. Laut einer Umfrage des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (2023) mussten 64 % der Unternehmen in den letzten 12 Monaten mindestens ein Projekt zeitlich strecken oder unterbrechen, weil qualifiziertes Personal fehlte.


In der öffentlichen Infrastruktur liegt die Zahl sogar bei 73 %, da viele Projekte gleichzeitig anlaufen (z. B. Brückenmodernisierung, Netzausbau, Bahnausbau). Besonders betroffen sind:

  • Bauleitung: fehlende Bauleiter:innen führen zu nicht besetzten Baustellen oder unzureichender Bauüberwachung

  • Fachgewerke: bei SHK, Elektro, Trockenbau und Gerüstbau melden über 50 % der Betriebe regelmäßige Engpässe

  • Spezialberufe: wie Zweiwegebaggerfahrer, Weichenmechaniker, Kranführer – kaum Nachwuchs, lange Einarbeitungszeit


Laut einer Auswertung der BauInfoConsult-Trendstudie (2023) gaben:

  • 58 % der befragten Architekten an, Projekte verzögern sich wegen nicht besetzbarer Ausführungsgewerke

  • 49 % der GU-Unternehmen mussten Aufträge ablehnen oder Auftragsvolumen begrenzen

  • 36 % der TGA-Planer gaben an, dass Inbetriebnahmen durch Personalmangel auf Baustellen mehrfach verschoben wurden


Hinzu kommt: Auch bei öffentlichen Auftraggebern (z. B. Bauämter, Projektträger) fehlen Planer:innen, Ausschreibungsstellen und Bauüberwacher – was Genehmigungen und Verfahren zusätzlich verzögert.



Kostenerhöhungen durch fehlende Fachkräfte

Personalmangel verursacht Mehrkosten in nahezu allen Projektphasen:

  • Nachunternehmer müssen zu überhöhten Preisen beauftragt werden

  • Terminverzögerungen führen zu Baustellenstillstand und zusätzlichen Fixkosten

  • Ausschreibungen müssen mehrfach veröffentlicht werden, da keine Angebote eingehen

Laut ifo-Institut (2023) entfallen zwischen 17 und 22 % der Baukostensteigerungen seit 2021 auf personalbedingte Verzögerungen – also nicht Material oder Zinsen, sondern fehlende Menschen auf der Baustelle.



Regionale Unterschiede

Besonders betroffen sind:

  • ländliche Regionen in Ostdeutschland und Bayern – geringe Bewerberzahlen und geringe Mobilität

  • Metropolräume wie Frankfurt, München, Berlin – hohe Bauaktivität trifft auf hohe Lebenshaltungskosten

  • Grenzregionen (z. B. Polen/Deutschland, Schweiz/Deutschland) – Abwanderung von Fachkräften ins Ausland


Auch Pendlerverhältnisse verschlechtern sich – viele Fachkräfte ziehen sich aus der Mobilität zurück, wenn Wohnort und Einsatzort zu weit auseinanderliegen.



Wer leidet besonders?

Segment

Typische Engpässe

Mittelständische Bauunternehmen

Bauleiter, Poliere, Maschinenführer

Öffentliche Auftraggeber

Bauüberwachung, Projektsteuerung

GU-Unternehmen

Kalkulation, TGA-Koordination, Einkauf

Bauämter & Behörden

Bauingenieur:innen, Prüfstatiker:innen

Fachgewerke (TGA)

SHK-Monteure, Elektriker, MSR-Technik



Lösungsansätze aus der Praxis

  • Modularisierung & Vorfertigung, um auf Baustellen Personalbedarf zu senken

  • flexiblere Arbeitszeitmodelle, besonders bei Bauleitung & Disposition

  • internationale Rekrutierung, z. B. über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz

  • Ausbildungspartnerschaften mit Berufsschulen & Hochschulen

  • gezielte Weiterbildung (z. B. Bauzeichner zu BIM-Modellierer, Techniker zu Bauleiter)



Wie entwickelt sich der Fachkräftemangel weiter – Prognosen bis 2030

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln, 2023) wird der Personalengpass in der Bauwirtschaft bis mindestens 2035 anhalten.


Gründe:

  • ca. 25 % der heutigen Fachkräfte im Bauhauptgewerbe gehen bis 2030 in Rente

  • Nachbesetzung gelingt nicht im selben Tempo – weniger Schulabgänger, konkurrierende Branchen

  • selbst wenn die Zahl der Auszubildenden um 20 % stiege, wäre das nicht ausreichend, um bestehende Lücken zu schließen


Das gilt sowohl für gewerblich-technische Fachkräfte als auch für akademische Profile wie Bauingenieur:innen, Projektleiter:innen oder Kalkulator:innen.



Strategien zur Sicherung der Fachkräftebasis

Die Baubranche wird gezwungen sein, ihre Strukturen anzupassen – Unternehmen, die frühzeitig reagieren, verschaffen sich Vorteile. Mögliche Ansätze:

  • Digitalisierung: Einsatz von BIM, 5D-Kalkulation und mobilen Tools senkt Personalaufwand pro Projekt

  • Ausbildung & Weiterbildung neu denken: Berufsbegleitende Fortbildungen, digitale Lernformate, Teilqualifikationen

  • Zuwanderung & Integration: gezielte Anwerbung von Bau-Fachkräften aus Drittstaaten mit strukturierter Einarbeitung

  • Employer Branding im Bau: moderner Auftritt, Social Media, Karrierechancen sichtbar machen

  • Bindung statt nur Besetzung: interne Entwicklungspfade schaffen, z. B. vom Facharbeiter zum Polier oder Bauleiter



Gute Zeiten für qualifizierte Bewerber:innen

Fachkräfte, die sich gezielt weiterentwickeln, sind gefragter denn je. Wer Qualifikationen mitbringt, profitiert von:

  • besseren Gehaltsverhandlungen

  • gezielter Projektwahl (z. B. Regionalität, Bauart, Unternehmenstyp)

  • schnellerem Aufstieg durch fehlende Zwischenebenen

  • direktem Zugang zu spezialisierten Personalvermittlungen


Auch Quereinsteiger:innen mit technischem Verständnis haben Chancen – etwa über Umschulungen oder modulare Fortbildungen.



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